Fragestellung und Sachverhalt
Das Landesarbeitsgericht Thüringen entschied, dass die nachträgliche Manipulation einer elektronischen Patientenakte eine erhebliche Pflichtverletzung darstellt, die eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung rechtfertigt.
Verhandelter Fall
- In dem vorliegenden Fall des Landesarbeitsgerichts Thüringen vom 28. Februar 2024 (Az. 4 Sa 166/23) ging es um die Frage, ob die nachträgliche Veränderung einer elektronischen Patientenakte durch eine Mitarbeiterin einer Arztpraxis eine so schwere Pflichtverletzung darstellt, dass eine fristlose Kündigung gerechtfertigt ist.
- Der Sachverhalt drehte sich um einen Vorfall aus Dezember 2022, bei dem die Mitarbeiterin das Ausstellungsdatum einer Heilmittelverordnung in der elektronischen Patientenakte einer Patientin nachträglich manipuliert hatte, um einen Fehler zu vertuschen. Diese Manipulation führte dazu, dass das ursprüngliche Datum nur mit großem technischem Aufwand wieder erkennbar gewesen wäre. Die Betreiberin der Arztpraxis erfuhr von der Manipulation und kündigte das Arbeitsverhältnis fristlos. Die Mitarbeiterin bestritt zunächst die Manipulation und erhob Kündigungsschutzklage.
- Die Klage wurde vom Arbeitsgericht Gera abgewiesen.
- Daraufhin legte die Klägerin Berufung beim Landesarbeitsgericht Thüringen ein.
- Dort ging es um die Bewertung, ob die nachträgliche Veränderung der Patientenakte als schwerwiegende Pflichtverletzung anzusehen ist und ob diese Pflichtverletzung einen ausreichenden Grund für eine fristlose Kündigung darstellt. Die Klägerin argumentierte, dass eine Abmahnung vor einer fristlosen Kündigung notwendig gewesen wäre, und bestritt weiterhin die Manipulation.
Entscheidung und Konsequenzen
- Das Landesarbeitsgericht Thüringen bestätigte die Entscheidung des Arbeitsgerichts Gera.
- Es wurde festgestellt, dass die nachträgliche Veränderung der elektronischen Patientenakte eine erhebliche arbeitsvertragliche Pflichtverletzung darstellt. Solche Manipulationen seien geeignet, das Vertrauen in die Integrität und Sorgfalt des Mitarbeiters nachhaltig zu zerstören und stellen daher einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung dar.
- Das Gericht hob hervor, dass es zu den arbeitsvertraglichen Pflichten des medizinischen Personals gehört, Eintragungen in der Patientenakte sorgfältig, wahrheitsgemäß und nach den Anweisungen vorzunehmen. Nachträgliche Änderungen, die nicht den Tatsachen entsprechen, seien strikt zu unterlassen. Aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung und des daraus resultierenden unwiederbringlichen Vertrauensverlustes sei keine Abmahnung erforderlich gewesen. Besonders relevant war hierbei auch die Tatsache, dass die Mitarbeiterin die Pflichtverletzung zunächst bestritten hatte, was das Vertrauen zusätzlich erschütterte.
- Die Entscheidung unterstreicht die hohe Bedeutung der Integrität bei der Führung von Patientenakten und die Konsequenzen, die bei Manipulationen zu erwarten sind.